Kassen zahlen ihren Versicherten ab 35 alle zwei Jahre eine Gesundheitsuntersuchung bei ihrem Hausarzt. Dieser Check-up soll vor allem dazu dienen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes frühzeitig zu erkennen, bevor sie schwere Folgeschäden verursachen. Das Konzept klingt plausibel, bringt aber weniger als erhofft. Das bestätigt nun eine große Studie. Wichtiger als der Check ist ein gesunder Lebensstil.
Erkrankungen frühzeitig erkennen
Sie verlaufen oft lange unbemerkt. Doch Bluthochdruck, Diabetes und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen können schwere Folgen haben, teils tödliche. Versicherte ab 35 dürfen deshalb alle zwei Jahre auf Kassenkosten zu einer Gesundheitsuntersuchung namens Check-up 35. Der Hausarzt fragt nach Vorerkrankungen, untersucht den Körper, lässt Blut und Urin testen. Das dient vor allem dazu, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch Nierenschäden frühzeitig zu erkennen.
Früherkennung funktioniert nicht
Das Konzept klingt plausibel, bringt aber weniger als erhofft. Das bestätigt jetzt eine große Studie, die 2014 im British Medical Journal erschienen ist. Bereits 2012 kamen Forscher der internationalen, unabhängigen Cochrane Collaboration zu einem ganz ähnlichen Schluss. Laut ihrer Studienauswertung mit mehr als 180 000 Teilnehmern senken allgemeine Gesundheits-Checks weder die Sterblichkeit insgesamt noch die Zahl der herz-kreislauf-bedingten Klinikeinweisungen und Todesfälle. „Die Maßnahmen funktionieren nicht“, schrieben die Autoren damals. Die der aktuellen Studie bekräftigen: Die Früherkennungsmethode sei „nicht zu empfehlen“.Check verhindert keine Todesfälle
Die neue Studie heißt „Inter99“ und stammt von dänischen Forschern um Torben Jørgensen von der Uni Kopenhagen. Sie teilten rund 60 000 ihrer 30- bis 60-jährigen Landsleute per Zufall in zwei Gruppen ein: Die Mehrzahl der Probanden lebte weiter wie bisher. Knapp 6 000 hingegen wurden in den nächsten Jahren regelmäßig durchgecheckt. Medizinisches Personal erfasste bei ihnen Risikofaktoren, etwa frühere Krankheiten, Rauchen, Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck. Wenn nötig, wurden die Studienteilnehmer umfassend beraten, um sie zu einem gesunden Lebenswandel zu motivieren, oder für Therapien zum Hausarzt geschickt.Nur wenige schaffen es, gesünder zu leben
Zehn Jahre nach Beginn der Tests zogen die Forscher Bilanz – mit ernüchterndem Ergebnis. Umgerechnet starben im Studienzeitraum in beiden Gruppen gleich viele Menschen. Auch bei der Rate der Herzinfarkte, verwandter Erkrankungen und Schlaganfälle gab es keinen Unterschied. Vielleicht lief die Studie zu kurz, um langfristige Auswirkungen der Checks zu erfassen. Das lassen statistische Spezialanalysen aber nicht vermuten, betonen die Forscher. Als einen möglichen Grund für den mangelnden Nutzen der Früherkennung nennen sie: „Nur ein kleiner Teil der Teilnehmer schafft es, wie empfohlen zu einem gesünderen Lebensstil zu wechseln – und das über lange Zeit durchzuhalten.“Sogar negative Folgen sind möglich
Es gibt weitere Erklärungen für das ernüchternde Fazit. Zum Beispiel: Ärzte sind in der Lage, Patienten mit Herz-Kreislauf-Risiken zu erkennen, auch wenn die aus anderen Gründen in die Praxis kommen. Mediziner packen also Probleme ohnehin oft an; dann bringen allgemeine Checks keinen Vorteil. Im Gegenteil, sogar negative Folgen sind möglich. So wiegen Nebenwirkungen von Arzneien mitunter schwerer als unbehandelte Leiden. Oder Therapien erweisen sich als unnötig oder riskant. Ein Beispiel: Lange Zeit peilten Ärzte bei Typ-2-Diabetikern recht niedrige Blutzuckerspiegel an – bis Studien kürzlich ans Licht brachten, dass dann das Sterberisiko nicht etwa sinkt, sondern steigt. Wer als Folge eines Gesundheits-Checks so eine Therapie bekam, hatte womöglich mehr Schaden als Nutzen.Experten fordern weitere Studien
Bleibt abzuwarten, ob die Datenlage dazu führt, dass Staaten ihren allgemeinen Gesundheits-Check abschaffen, oder ob sie weitere Ergebnisse abwarten. Das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Iqwig) schreibt: „Neue Studien sind nötig. Ob sie zu anderen Erkenntnissen kommen, ist ungewiss.“Gesunder Lebensstil ist Trumpf
Nach jetzigem Wissen nützt es wohl nichts, wenn Gesunde zum allgemeinen Check gehen – wobei manche das beruhigend finden. Ob mit oder ohne die Früherkennung: Ärzte sind im Alltag gefordert. Wann immer sie bei Patienten Herz-Kreislauf-Probleme vermuten, sollten sie den Verdacht abklären. Forscher Jørgensen und Kollegen empfehlen ferner „Aktion auf politischer Ebene“, etwa Alkoholsteuern und Rauchverbote. Wer gesund lebt, verringert die Gefahren für Herz und Kreislauf erheblich.26.11.2014
Quelle:https://www.test.de/Check-up-35-Vorsorgeuntersuchung-nutzt-weniger-als-erhofft-4780718-0/
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